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Tiefengeothermie in Waghäusel

Von der Seismik über die unerforschten Langzeitfolgen im Buntsandstein bis hin zur grundsätzlichen Energiepolitik

(rick) Durch den Bürgerentscheid am Sonntag, 26.03.2023 wird darüber entschieden, ob die Stadt Waghäusel ein städtisches Grundstück für die Errichtung einer Tiefengeothermieanlage zur Verfügung stellen darf. Wenn sich mehr als 20 Prozent der Stimmberechtigten dagegen aussprechen, muss sich die Deutsche ErdWärme (DEW) um andere Grundstücke bemühen, um eine ausreichend große Fläche für ihr Vorhaben zu erhalten.

Wir Stadträte der AfD können uns nicht für die Tiefengeothermie in unserer Stadt aussprechen. Die Geothermie im Rheingraben birgt für uns zu viele Gefahren. Bürger müssen bezahlen, wenn es zu Schäden an den Gebäuden kommt. Im Zweifel müssen Betroffene einen Gutachter bezahlen, um nachzuweisen, dass die Schäden an ihren Häusern durch die Geothermie entstanden sind, oder die Reparaturen aus eigener Tasche zahlen.

Zusätzlich verunsichern Bewohner die widersprüchlichen Aussagen der DEW zu einem möglichen Lithiumabbau in der Zukunft und zu den unbekannten Langzeitfolgen im Tiefengestein. Für den Lithiumabbau muss der Kreislauf geöffnet werden, was unter anderem die kontinuierliche Entsorgung radioaktiver Salze in großen Mengen nötig macht.

Natürliche Seismik:

Der Oberrheingraben bewegt sich um 0,1 mm im Jahr. Im Umkreis von ca. 10 km um Waghäusel herum wurden laut Auskunft des Regierungspräsidiums Freiburg von 1972 bis Ende 2020 33 Erdbeben gemessen. Sie lagen in einer Tiefe von fünf bis 26 Kilometern mit Magnituden von 0,8 bis 3,3 und sind in der Regel an der Oberfläche nicht wahrnehmbar, aber sie finden statt. Wer garantiert, dass es nicht wieder zu einem größeren Beben kommt? Immerhin geht es hier um die Bohrung entlang einer Verwerfung im Gestein. Schon Beben geringerer Magnitude als die der ganz großen, die Verwerfungen bildenden Beben könnten Auswirkungen auf die Bohrleitungen haben.

Induzierte Seismik:

Wie sich im Expertengespräch herausgestellt hat, wird das vielgepriesene Sicherheitssystem Ampel bei ersten seismischen Messungen nicht automatisch abgeschaltet, sondern eine Person muss auf den Knopf drücken. Ist sichergestellt, dass immer jemand das seismische Geschehen beobachtet, er nie abgelenkt oder auch nur kurzzeitig abwesend ist? Wie hoch können die Auswirkungen zwischen einer automatischen Abschaltung durch das System zu einer durch Melde- und Reaktionszeit bedingten verzögerten Abschaltung sein?

Und selbst, wenn die Abschaltung schnell erfolgt, ist das Beben damit nicht beendet. Es nimmt seinen Lauf und kann auch verzögert noch auftreten.

Rein technisch ist es durch eine manuelle Steuerung auch möglich, eine Abschaltung aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zu verzögern. Dies ist in einer anderen Anlage geschehen.

Der tiefe Buntsandstein:

Die geologische Schicht des komprimierten Buntsandsteins in der Tiefe wird zum großen Teil von Natrium und Chlorid, durchdrungen 1. Dieses Gleichgewicht hat sich über tausende, wahrscheinlich Millionen von Jahren gebildet. Der Sandstein, das Wasser, der Druck und die Temperatur sind in einem stabilen Verhältnis.

Jetzt möchte der Mensch in dieses fragile System eingreifen.

Flüssigkeit mit hoher Temperatur wird an einer Stelle entnommen und an anderer Stelle erheblich kühler wieder zugeführt. Dabei ändert sich auch die Löslichkeit der hohen Salzfracht in der wässrigen Lösung.

Dementsprechend ist es für den Betrieb der Tiefengeothermieanlage notwendig, Inhibitoren einzusetzen. Das sind, um es umgangssprachlich auszurücken, „Rohrreiniger, die die Korrosion der Leitungen durch Mineralien verhindern sollen“.  Und Rohrreiniger sind, wie jede Hausfrau weiß, in der Regel Säuren.

Diese unheilige Allianz wird nun über Jahre hinweg in die Tiefe in stehendes Gewässer gepumpt, das heißt, eine natürliche starke Verdünnung findet nicht statt. Um die Inhibitionsbohrung kommt es zu einer Anreicherung von Säure und zu Abkühlung. Jeder Dombaumeister und jeder Eigentümer eines Hauses aus Sandstein kann ein leidvolles Lied davon singen, welche Auswirkungen das auf den Sandstein hat. Ich erinnere an das Stichwort „saurer Regen“. Der Buntsandstein wird aufgelöst. Dies ist auch in der Tiefe zu befürchten. Dass der Buntsandstein bereits jetzt fragil ist, wird dadurch deutlich, dass Krümel im Ansaugrohr erwartet werden.

Und dass in der Tiefe eine Anreicherung stattfindet, wurde mir in einem Gespräch von einem Vertreter der DEW bestätigt. Es wurde gesagt, die Inhibitoren wären nach einigen Jahren am Ansaugrohr nachweisbar. Die Enden der beiden Rohre liegen mehrere Kilometer voneinander entfernt. Diese Strecke ist dann aber lediglich der Radius. Vom Einfüllrohr wird sich das kühlere, saure Wasser in alle Richtungen verteilen und ebenso seine bisher nur teilweise bekannten Effekte.

Diese Auswirkungen mögen nicht gleich erkennbar sein, denn das unterirdische System wird diese Veränderungen zunächst ausgleichen, was aber nur bis zu einem gewissen Grad möglich ist. Wir sehen die Gefahr, die Temperaturveränderung und der sich auflösende Sandstein könnten im Laufe der Zeit Spannungen erzeugen, die sich seismisch entladen oder zu einer Instabilität des Untergrunds führen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Viele erst als gut erachtete Technologien haben sich später als nachteilig herausgestellt.

Die Zusammensetzung der Flüssigkeit wird sich noch weiter ändern, sollte zudem Lithiumgewinnung erfolgen, zu der die DEW keine klare Aussage macht. Was wird dann erst im Untergrund passieren?

Lithiumgewinnung:

Wie schon erwähnt, sind die Aussagen dazu von der DEW sehr unterschiedlich. Sie gehen von nein, wir werden keines fördern, über es ist technisch noch nicht machbar, bis zu einem mehr oder weniger klaren Bekenntnis zur Förderung. Aus Sicht der DEW muss Lithiumgewinnung attraktiv sein. Damit werden wohl gute Gewinne machbar sein. Die eigentliche Geothermieanlage selbst erwirtschaftet bei Stromerzeugung geringen oder keinen Gewinn und bei Wärmeauskopplung auch nur, wenn die gesamte Infrastruktur der für die Verteilung nötigen Leitungen von anderen gezahlt wird.

Bei einer Lithiumgewinnung muss der Tiefenwasserkreislauf geöffnet werden. Dies führt zur kontinuierlichen Freisetzung von CO2, das in den Tiefenwässern des Oberrheingrabens stark enthalten ist 1, und von teils radioaktiven Salzen, die dann auch immer wieder entsorgt werden müssen. Welche Auswirkungen der offene Kreislauf auf die Umgebung haben wird, auch in Form von Lärm, ist noch völlig unklar. Ebenso verhält es sich beim Transport des Lithiums.

Stromproduktion aus dem geplanten Werk:

Die Stromproduktion lohnt sich nicht wirklich.

4 MW netto mal 8.000 Stunden im Jahr ergibt 32.000 MWh/a = 32.000.000 kWh/a

1 kWh Strom kostet rund 0,30 €, davon sind ca. 0,20 € Steuern und Abgaben. Von den verbleibenden 0,10 € müssen rund 0,05 € für die Verteilung und den Erhalt des Stromnetzes aufgewendet werden.

Somit verbleiben rund 0,05 € x 32.000.000 kWh/a ergibt einen Ertrag in Höhe von 1.600.000 €. Über 20 Jahre wären das lediglich 32 Millionen Euro, und davon müssten nicht nur die Bohrungen und der Bau der Anlage, sondern auch deren Unterhalt sowie der Rückbau nach Nutzungsende bezahlt werden, und das bei der hohen Korrosivität der Salzsole.

Nahwärmeproduktion aus dem geplanten Werk:

Es handelt sich um maximal 30 bis 40 MW thermische Leistung.

Die DEW stellt, wie schon ausgeführt, kein Wärmenetz. Somit ist die Stadt Waghäusel in der Pflicht, die sowieso schon hoch verschuldet ist, oder die Bürger müssen über eine Energiegenossenschaft selbst dafür aufkommen. Doch eine Nahwärmeversorgung ist nicht überall möglich und auch nicht sinnvoll.

Was auch noch angedacht ist und finanziert werden müsste ist eine Notversorgungsleitung zu einem anderen Geothermiekraftwerk, zum Beispiel Graben-Neudorf. Von dort würde, so wird gesagt, dann die Versorgung übernommen, wenn das Werk in Waghäusel ausfalle. Wird die dortige Energie im Winter aber nicht selbst benötigt? Ansonsten müsste eine Notversorgung mit Fernwärme über fossile Energieträger erfolgen.

Schadensregulierung im Falle eines (seismischen) Ereignisses durch die DEW:

Wie sich am Expertengespräch deutlich gezeigt hat, ist die Schadensregulierung für die betroffenen Bürger eine unendliche und sehr unerfreuliche Geschichte. Zuerst muss der Nachweis erbracht werden, dass der Schaden durch das Geothermiekraftwerk entstanden ist. Das erweist sich oft nicht einfach und bedeutet zeitaufwändige Verhandlungen mit Gutachtern. Und eine Versicherungssumme von zwei Millionen Euro pro Schadensereignis ist schnell verbraucht. Die normale Gebäudeversicherung des Hauseigentümers zahlt nicht. Da könnten viele auf zumindest einem Teil der Kosten „sitzen bleiben“.

Laufzeit der Geothermieanlage:

Bei einer Tiefengeothermieanlage wird von einer Laufzeit von 20 bis 25 Jahren ausgegangen. Danach müssten neue Bohrungen erfolgen.

Wird dann das gleiche Reservoir erneut angebohrt, was zu weiterer Veränderung der Verhältnisse dort führen würde? (siehe Kapitel Der tiefe Buntsandstein) Wahrscheinlich schon, denn es gibt wohl nicht so viele unabhängige „Blasen“, die angezapft werden können. Das hat dann weitere Auswirkungen auf den Buntsandstein.

Mineralbrunnen und Grundwasserschutz:

Im Bereich des geplanten Geothermiekraftwerks liegt der Mineralbrunnen, aus dem das Wiesentaler Mineralwasser gewonnen wird. Es handelt sich hierbei um klares, sauberes Wasser, das für die langfristige Versorgung mit dem lebenswichtigen Getränk Wasser wichtig ist. Außerdem bedeutet dies, sichere Arbeitsplätze im Ort. Eine Verunreinigung des Wassers durch einen Unfall aus der Anlage wäre verheerend.

Wasser als solches ist überlebenswichtig für Mensch und Natur. Der Schutz dessen hat oberste Priorität. Ohne Geothermie kann man leben, ohne Wasser nicht.

Geothermie-Anlage in Holzkirchen (Foto: Ruth Rickersfeld)

Gedanken zur gegenwärtigen Energiepolitik in Gänze:

Gegen eine Verringerung des Verbrauchs fossiler Energien wie Gas, Öl und Kohle ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Doch was derzeit in unserem Land passiert ist selbstzerstörerisch. Kein anderes Land auf dieser Welt verfährt so. Und das Wall Street Journal attestiert Deutschland die dümmste Energiepolitik der Welt 2.

Wer, außer Deutschland, schaltet zuerst seine funktionierende Energieversorgung ab, bevor eine echte Alternative realisiert ist?

Kein anderes Land setzt fast ausschließlich auf volatile, also witterungsabhängige Energie wie Solar und Wind, ohne wirkliche und leistungsstarke grundlastfähige Kraftwerke zu haben. Die kleinen Geothermiekraftwerke werden diesen Ausgleich nicht schaffen. Zum Netzausgleich wird Strom aus anderen Ländern zugekauft werden, der dann oft durch Kernenergie erzeugt wurde.

Andere Länder bauen neue Kernkraftwerke und forschen daran, die Lagerzeit der abgebrannten Brennstäbe drastisch zu verringern. Die Forschung geht in Zukunft von einer Halbwertszeit von 300 Jahren und nicht wie jetzt von 25.000 Jahren aus. Der sogenannte „radioaktive Abfall“ würde aufbereitet und in den neuen Anlagen erneut zur Energieerzeugung verwendet. Das entstehende Restmaterial hätte dann die Halbwertszeit von ca. 300 Jahren. Gleichzeitig würde sich die benötigte Endlagerfläche reduzieren.

Apropos Kernenergie: Bis vor kurzer Zeit hatten wir im Nachbarort ein Kernkraftwerk mit zwei Blöcken. Diese haben mit 2.394 MW Strom rund vier Millionen Haushalte sicher versorgt 3. Das entspricht 399 Windkraftanlagen bei einer Leistung von 6 MW Maximalleistung je Windrad. Doch der Wind weht halt nicht immer, besonders nicht hier bei uns. Und die Anlagen haben einen durchschnittlichen Flächenverbrauch von 0,47 ha je Windrad 4. Bei 399 Windrädern sind das 187,53 ha. Und da diese Windräder meist bei uns stehen werden, müssen entweder woanders noch mehr Windräder gebaut oder die Landschaft noch mit Solaranlagen zugepflastert werden.

Ich sagte es bereits: Die Wälder der Zukunft werden rotierende Kronen haben und die Wiesen werden blau schimmern. Es wird bei Umsetzung der Energiewende nirgends mehr eine Aussicht ohne Windräder oder Solaranlagen geben.

2.394 MW Strom aus Philippsburg entspricht eben auch rund 400 Geothermiekraftwerken elektrisch. Das Kernkraftwerk Philippsburg hatte auch rund 4.000 MW Wärme produziert, die problemlos für ein Nah-/Fernwärmenetz hätten verwendet werden können. Das entspricht einer Leistung von 100 bis 133 Tiefengeothermiekraftwerken. Der Landkreis hätte mit dem Strom und der Wärme aus Philippsburg keine Versorgungsprobleme.

Doch die Regierung hat die Abschaltung der Kernenergie, der Kohle-/Gas-/Ölheizungen und -kraftwerke beschlossen. Auch der Umstieg auf Elektromobilität soll von oben vorgeschrieben werden. Wie das funktionieren soll, wissen die Verantwortlichen wahrscheinlich selbst nicht. Die Tiefengeothermie ist zwar in dem Spiel die einzige verbliebene grundlastfähige Energie, aber die Lösung ist sie nicht, denn der geringe Nutzen steht in keinem Verhältnis zu den großen Risiken.

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